Zurück in den Arbeitsprozess

Zeichnen – eines der Hobbys von Tamara. Ein Bild entsteht nicht einfach in ihrem Kopf. Sie braucht dazu eine Vorlage, welche sie auf ein Blatt Papier kopiert. Danach zeichnet sie die Konturen mit dem Bleistift nach, bevor sie mit Farbstiften koloriert. Zeichnen – sozusagen Sinnbild für den Prozess der 24-Jährigen: Ihr Leben bekommt wieder Konturen und Farbe.

Das war nicht immer so. Die IV-unterstützte Lehre als Zierpflanzengärtnerin gestaltete sich schwierig. Am liebsten hätte sie sie hingeschmissen, hielt aber doch bis zum Schluss durch. Der Weg ins Berufsleben missglückte. Trotz vieler Bewerbungen – keine Arbeitsstelle. Tamara gibt auf, bleibt zu Hause.

Auf Umwegen zurück zum erlernten Beruf

Nach fünf Jahren meldet sie sich bei der IV-Stelle. Sie braucht unbedingt eine Tagesstruktur und eine sinnvolle Aufgabe. Im Rahmen der Beruflichen Massnahmen1 kommt sie in die Stiftung Wendepunkt, arbeitet die ersten drei Monate im Gartenbau, wechselt dann aus körperlichen Gründen für weitere drei Monate in die Montage Logistik. Tamara gewöhnt sich trotz langer Jobabsenz schnell an den Arbeitsrhythmus. Dass sie arbeiten kann und dabei die Anforderungen erfüllt, gibt ihr zusätzlich Schub. Der positive Umgang und das gute Arbeitsklima helfen, Ängste abzubauen, wieder Vertrauen zu fassen und neue Kontakte zu knüpfen. Noch etwas verändert sich – sie vermisst plötzlich ihren angestammten Beruf: Pflanzen von klein auf aufzuziehen. Zu sehen, wie sie gedeihen und sich vermehren. In Gewächshäusern oder draussen im Freien zu arbeiten… Der nächste Schritt wird eingeleitet: ein Einsatz im ersten Arbeitsmarkt. Mit Unterstützung eines Job Coachs2 findet Tamara einen externen Einsatzplatz in einer Gärtnerei, wo sie von Oktober 2017 bis Ende März 2018 gearbeitet hat.

Selbstsicher und gestärkt in die Zukunft 

Rückblickend stellt Tamara fest, dass sie durch die Arbeit – in der Stiftung Wendepunkt und im externen Einsatz – sowie durch die Job Coach-Begleitung an Selbstsicherheit und Vertrauen gewonnen und zudem noch besser ihre Stärken kennen gelernt hat. Letztere sind nicht wenige, hat sie mit einer gezielten Übung entdeckt. Das daraus entstandene «Stärken-Bild» bewahrt sie auf, nicht nur in ihrem Zimmer, sondern besonders in ihrem Herzen. Zurzeit erweitert sie ihre Kompetenzen, indem sie lernt, Auto zu fahren. Wie es beruflich weitergeht, ist noch offen. Sie blickt aber zuversichtlich und gestärkt in die Zukunft.

1 Beruflichen Massnahmen ist ein Angebot für IV-leistungsberechtigte Personen, welches Klientinnen und Klienten ermöglicht, aufgrund der Abklärungsergebnisse gezielt ihre berufliche Zukunft zu planen.

2 Job Coaches coachen individuell und gezielt Klientinnen und Klienten bei der Stellensuche und begleiten sie während ihres externen Einsatzes. Zudem akquiriert ein Job Coach externe Einsatzplätze in Firmen. 2010 war ein Job Coach mit einem Pensum von 100 Prozent in der Stiftung Wendepunkt tätig. Heute sind es sechs Job Coachs (beide Geschlechter) mit 600 Stellenprozenten. Sie arbeiten in allen integrationsorientierten Angeboten mit


Regine Frey-Eichenberger
Autorin