Support beim Sprung ins Berufsleben

Erdison hat‘s geschafft. Seit August kurvt er als Erstlehrjahrstift mit dem Deichselgerät in grossen Lagerhallen des Schöni Logistikzentrums in Rothrist herum, lagert eingetroffene Güter in hohe Regale ein oder bereitet Bestellungen für die Auslieferung und den Versand vor. Stolz erfüllt Erdison, weil er zu Schöni gehört und hier seine Lehre als Logistiker EFZ absolviert.

Vor einem Jahr jedoch sah alles anders aus: Schulabschluss ohne Lehrstelle. Eintritt ins SEMO der Stiftung Wendepunkt im September 2017. In der internen Logistik in Rothrist sammelt Erdison erste Arbeitserfahrungen. Seine Leistungen sind gut. Um das «Feeling» für den ersten Arbeitsmarkt möglichst schnell zu erhalten, vermittelt ihm ein Job Coach der Stiftung Wendepunkt einen dreimonatigen Einsatz in der Logistik der Firma Schöni. Dieser wird dank überzeugender Leistung verlängert und zugleich wird eine Lehrstelle in Aussicht gestellt. Im April 2018 ist es soweit: Erdison unterschreibt den Lehrvertrag, beendet auf Mitte Juni das SEMO und arbeitet bis Lehrbeginn als Praktikant mit Lohn bei seiner zukünftigen Lehrfirma.

Durchhaltewille – das A und O

Nicht bei allen Teilnehmenden verläuft das SEMO auf Anhieb erfolgreich. Oft befinden sich die Jugendlichen zuerst wie in einem luftleeren Raum. Wissen nicht, wie es weitergeht. Haben Angst, keine Lehrstelle zu finden. Erdison kennt dies. Gerade deshalb rät er den jetzigen Absolventinnen und Absolventen, das Angebot zu nutzen und Tipps der Begleitpersonen umzusetzen. Trotz Höhen und Tiefen sind 2018 viele Erfolgsgeschichten geschrieben worden: Achtzig Prozent – das heisst acht von zehn Jugendlichen – haben das Angebot mit einer Anschlusslösung verlassen.

«Das stellt auf, weil es gelungen ist, an den Durchhaltewillen der Jugendlichen zu appellieren. Etliche haben sogar im Mai oder Juni noch eine Lehrstelle gefunden.»

Peter Marmet, Leiter des SEMO

«Reload your life»

Das ist das Leitmotiv des SEMO in der Stiftung Wendepunkt. Reload (= aufladen) will die Jugendlichen mit gewinnbringenden Sozial- und Handlungskompetenzen ausrüsten, damit sie den Sprung ins Berufsleben schaffen. Daran wird gearbeitet und gefeilt: Am stiftungsinternen Arbeitsplatz, in der Schnupperlehre oder im externen Praktikum. Wöchentlich in der Bewerbungsunterstützung, während des Schultags an der Berufsschule in Zofingen und an Thementagen. Die Basis dazu wird in einer fünftägigen Intensivwoche gelegt. Oft eine Herausforderung für die Jugendlichen: Weg sein vom gewohnten Umfeld, unter Beobachtung stehen, weil Videoaufnahmen zur Auswertung gemacht werden. Bei Tagesbeginn um 7.30 Uhr ausgeschlafen und fit sein. Einmal Chef sein und dabei merken, dass die eigene Vorstellung von Führen nicht unbedingt der Realität entspricht.

«In der Intensivwoche haben wir in kleinen Teams eine Rollbahn ums Haus herum gebaut. Dabei ist mir bewusst geworden, wie wichtig Verständigung, Absprachen und Konsensfindung für eine gelingende Teamarbeit sind.»

Veton

Mit Pfeil und Bogen à la Robin Hood ein Ziel anvisieren und sich dabei nicht ablenken lassen. Teamarbeit, Arbeitshaltung, das eigene Handeln reflektieren – alles wichtige Erfahrungen für die weitere Zukunft. An Thementagen wird vertieft, was im Camp begonnen hat: Mit Einzel- und Gruppenarbeiten sowie erlebnisorientierten Interaktionen soziales Verhalten, Selbstdisziplin und Eigenmotivation einüben. Persönlichkeitsprofil, Kommunikation, Umgang mit Geld und sozialen Medien, Berufswahl inkl. Bewerbungsprozess, Lebensübergänge und Sportliches stehen unter anderem auf der Inhaltsliste. An diesen Tagen verbringen Jugendliche und Coachs auch die Mittagszeit zusammen. Gemeinsames Kochen und Essen öffnet Raum für Gespräche und fördert die Beziehung.

  1. Jugendliche und Coaches während der Intensivwoche, Oktober 2018.
  2. Führung erleben: Aus der Distanz überwacht der Chef, wie «seine Gruppe» den Dinosaurier zusammenbaut und gibt bei Bedarf Anleitung.
  3. Inhalte des Thementags «Fit 4 Job».
  4. Auch Spass gehört dazu: Feedbackrunde zu den Werbespots.
  5. Gemeinsames Kochen und Essen verbindet.
  6. Neben dem Kochen ist das Tischdecken ein weiteres Ämtli, das die Jugendlichen bei der gemeinsamen Mittagszeit zu erledigen haben.

Selbstkritisch und breit denken

Dienstagvormittag, Thementag «Fit 4 Job, Teil 4»: Die Jugendlichen sitzen im Halbkreis. Unter Anleitung von Maria Grogg, Coach, werten sie ihre Bewerbungsstrategie aus und besprechen mögliche Verbesserungsschritte, bevor sie sich in einem Werbespot – quasi als Übung für Vorstellungsgespräche – kurz und prägnant vor der Gruppe präsentieren. Nach der Feedbackrunde halten die Teilnehmenden konkrete Aktionen auf dem persönlichen Bewerbungsstrategieplan fest.

«Im SEMO schätze ich die Unterstützung im Bewerbungsprozess. Die Bewerbungen werden überprüft und ich erhalte wertvolle Tipps.»

Arti

Diese Vorgehensweisen zielen darauf ab, dass die Jugendlichen ihr Handeln kritisch reflektieren, eigene Strategien entwickeln und sich nicht nur in ihren Traumberufen um Lehrstellen bewerben. Ein Grund, weshalb innerhalb der Thementage verschiedene Berufsbilder vorgestellt und regelmässig Firmenbesuche gemacht werden. Gerade letztere sollen bewirken, dass die jungen Erwachsenen ihren Horizont erweitern und erleben, ja buchstäblich «riechen», wie Betriebe funktionieren, wie sie den Bewerbungsprozess gestalten, worauf sie bei Schnupperlehren achten, welche Lehrstellen sie anbieten und wie sie die Berufsbildung gestalten. Und ein weiterer positiver Nebeneffekt: Bereits zwei SEMO-Teilnehmende haben dank Firmenbesuchen Lehrstellen gefunden!

Gemeinsam zum Ziel

Diese Eckpfeiler des Reloads, verbunden mit Beziehungsarbeit, helfen mit, dass das Vertrauen der Teilnehmenden wächst und Hemmschwellen abgebaut werden. Alle Bestrebungen des Teams sollen dazu führen, dass die Jugendlichen sich realistische Ziele setzen, Leistung und Durchhaltewillen steigern sowie ihre Sichtweise der Berufswahl erweitern. Dabei erleben, dass auch mit Plan B der Eintritt in den regulären Arbeitsmarkt gelingen kann.

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Motivationssemester | Stiftung Wendepunkt


Regine Frey-Eichenberger
Autorin