Logistikdienstleister im Online-Handel

Auf zwei langen Regalen reihen sich Stoffballen an Stoffballen. Ein Kunterbunt an Farben, und Materialien: uni, gestreift, gemustert. Stoffe unter anderem aus Baumwolle, Fleece, Jersey, Leinen, Mousseline. Ebenso Schnittmuster oder Zubehör wie Bänder, Knöpfe und Reissverschlüsse sind hier zu finden. – Ein wahres Nähparadies!

Unweit vom eigentlichen Warenlager entfernt stapeln sich neu eingetroffene Artikel auf einem Tisch. Demnächst werden sie einzeln ins System aufgenommen und mit einem QR-Code1 gekennzeichnet, welcher Auskunft über Lagerort und Lagerbestand gibt. Die ganze Auftragsabwicklung – vom Wareneingang bis -ausgang inklusive Bestellwesen und Versand – wird von einer mobilen PC-Station aus abgewickelt.

Hinter «Stofflagerhaus» steckt die Stiftung Wendepunkt

Ausgangslage für den neuen Auftrag bildet der Online-Shop Stoffwald. Hier stellen Händler ihre Artikel zum Verkauf aus und Nähbegeisterte bestellen bequem von zu Hause, was sie für ihr Hobby oder ihr Business benötigen. Initiantin und Inhaberin dieses Start-Up ist Esther Pfister2. Sie ist sich von Anfang an bewusst gewesen, dass sie auf Lagerfläche für die Stoffe und Vertriebsdienstleister für den Online-Handel angewiesen sein würde. Dieser umfassenden Dienstleistung gab Pfister die Bezeichnung «Stofflagerhaus», wofür sie gerne eine soziale Einrichtung berücksichtigen wollte. Sie war mit verschiedenen Anbietern im Gespräch – entschieden hat sie sich für die Stiftung Wendpunkt: «Hier stimmten nicht nur die Konditionen. Ich spürte den starken Willen, etwas aufzubauen, Zeit und Herzblut zu investieren, damit dieses Business möglich wird», resümiert sie.

Das Stofflagerhaus, sprich der Arbeitsbereich Logistik und Konfektionierung, lagert die Ware der verschiedenen Stoffhändler ein, versendet Bestellungen aus dem Online-Shop Stoffwald an Kunden und nimmt Retouren bei Bedarf wieder zurück. Damit dies technisch einwandfrei funktioniert, sind die Prozesse der beiden Geschäftsmodelle miteinander verknüpft.

«Bei der Stiftung Wendepunkt spürte ich den starken Willen, etwas aufzubauen, Zeit und Herzblut zu investieren, damit dieses Business möglich wird.»

Esther Pfister, Gründerin/CEO «Stoffwald» & «Stofflagerhaus»

Lagerartikel und Bestellungen nehmen zu

Obwohl das Stofflagerhaus noch im Aufbau und erst seit Anfang Mai in Betrieb ist, beherbergt es bereits 1‘500 Artikel. Zudem sind rund 350 Bestellungen über die Online-Ladentheke gegangen. Wenn eine neue Bestellung aus dem Online-Shop ins virtuelle Postfach der Logistik kommt, werden Lieferschein, Artikeletikette für die bestellte Ware und Adressetikette des Kunden ausgedruckt. Ein Rüstschein wird erstellt. Mit dessen Hilfe wird die bestellte Ware im Regal gesucht und gescannt. Danach wird der Stoff zugeschnitten, zusammen mit dem Lieferschein verpackt und per A-Post dem Empfänger zugestellt. Eine automatische Nachricht meldet nun dem Kunden, dass das Paket unterwegs ist. Als letzter Schritt im Prozess wird die Rechnung ausgelöst und dem Kunden online zugestellt.

  1. Jeder Stoff wird mit einem QR-Code versehen.
  2. Für die Bezeichnung des Stoffes braucht es eine Etikette.
  3. Der bestellte Stoff wird gescannt.
  4. Der Stoff wird auf die gewünschte Länge zugeschnitten.
  5. Die Bestelletikette wird angebracht …
  6. … der Stoff verpackt …
  7. … und für die Postaufgabe bereitgemacht.

Nutzen für Teilnehmende

Diese Logistikdienstleistung erfordert im Moment fünfzig Stellenprozente. Klientinnen und Klienten aus dem Programm für Langzeitarbeitssuchende werden eingesetzt. «Sie lernen, den Ablauf einer Bestellung zu verstehen und einen Auftrag mit mobilen Geräten und im ERP-System3 abzuwickeln. Auf diese Weise arbeiten sie in einem Umfeld, welches sie später im ersten Arbeitsmarkt antreffen», erläutert Daniel Angst, Bereichsleiter Logistik und Konfektionierung. Für viele ist diese Arbeit eine Herausforderung, bringen sie doch häufig wenig EDV-Erfahrungen mit. Zum Team gehört auch Saraswathy. Im Moment erledigt sie eine Stoffbestellung: Sie muss sieben Stoffe via erstelltem Rüstschein im Lager finden und scannen, danach zuschneiden, etikettieren und mit dem Lieferschein verpacken. In Kürze hat Saraswathy alles erledigt. Zum Schluss quittiert sie am PC, dass der Bestellvorgang abgeschlossen ist.

Kooperation mit Start-Up – ein Novum

«Was alles hinter einer Online-Bestellung steckt, begreift man erst, wenn man es live erlebt», meint Bereichsleiter Dani Angst. Obwohl in den vergangenen Monaten viele Arbeitsstunden ins System investiert worden sind, muss dieses noch bedienerfreundlicher werden. Trotz dieser Kinderkrankheiten ist die Belegschaft zufrieden mit dem Erreichten: ein weiteres zukunftsgerichtetes Tätigkeitsfeld ist dank dieser Kooperation entstanden. Auch Start-Up-Gründerin Esther Pfister findet nur lobende Worte für Mitarbeitende und Teilnehmende der Stiftung, welche aus ihrer Sicht nicht nur eine Extra-Meile, sondern einen Extra-Marathon gegangen sind!

Bleibt zum Schluss noch dies: Wenn ich als Online-Kundin den Jersey-Stoff mit den aufgedruckten Traktoren in Händen halte, bin ich dankbar ob all der fleissigen Hände, die es mir möglich machen, dass ich ohne Einkaufsstress bald Hoodies für meine Enkel nähen kann …

Mehr zum Angebot
Logistik | Stiftung Wendepunkt

1 QR-Code (Quick Response) ist ein weit verbreiteter elektronisch lesbarer Code, der nicht nur im Handel, sondern in zahlreichen anderen Bereichen zur Anwendung kommt.

2 Bevor Esther Pfister das Start-Up Stoffwald und das Schwesterunternehmen Stofflagerhaus gründete, war sie in verschiedenen strategischen Funktionen für internationale Unternehmen tätig.

3 ERP-System (Enterprise Resource Planning): komplexe Anwendungssoftware, die sämtliche Geschäftsprozesse eines Unternehmens steuert. 


Regine Frey-Eichenberger
Autorin