Job nach 20 Jahren

Vjekoslav arbeitet seit Juni 2019 im Bereich Warenausgang der Steffen AG. Zuerst war es ein dreimonatiger Einsatz1 mit dem Ziel: Anstellung. Er durchläuft das Qualifikationsverfahren, wird auf Herz und Nieren geprüft. Ende 2019 entscheidet sich das Team für Vjekoslav. Endlich hat er es geschafft!

Im Logistikbereich Warenausgang der Firma Steffen AG2 in Spreitenbach herrscht Hochbetrieb. Mittendrin: Vjekoslav. Er verpackt gerade Elektroware für einen Kunden.

  1. Das Paket wird gleich gewogen und …
  2. … Gewicht und Versandart – Post oder DPD – werden auf dem Lieferschein notiert.
  3. Via Lieferschein sucht er den Kunden im System, vervollständigt den Lieferschein und druckt diesen zusammen mit der Adressetikette aus.
  4. Die Adressetikette wird auf die Dokumententasche geklebt, der Lieferschein gefaltet und in die Tasche gelegt.
  5. Die Dokumententasche klebt er nun aufs Paket.
  6. Je nach Grösse des Pakets wird das Umreifungsband montiert. Danach kommt das Paket auf die Palette für den Transport.

Zwischenkapitel

Wer dem 58-Jährigen begegnet, versteht die lange Arbeitsmarkt-Abwesenheit nicht so recht. Einer wie Vjekoslav sollte doch locker eine Stelle bekommen. Was ist passiert? Der gelernte Werkzeugmaschinist und spätere Anlageberater verliert innerhalb weniger Jahre zweimal den Job. Gründe: Umstrukturierung der einen, Konkurs der anderen Firma. Trotz vieler Bewerbungen – keine Stelle in Sicht.

«Wenn ihr nicht wollt, will ich auch nicht mehr.»

Kurz darauf verliert er die Wohnung und allmählich auch seinen Arbeitswillen. Vjekoslav steht buchstäblich auf der Strasse und lebt fortan von Almosen. Erst als sein Vater im Sterben liegt, kehrt der «verlorene Sohn» zurück zu Mutter und Bruder.

Türen gehen auf

Das Leben in der Normalität fällt ihm schwer. Nach einem Jahr gibt er sich einen Ruck und geht aufs Sozialamt. Die Sozialhilfe wird ihm zwar bewilligt, punkto Jobzukunft wird ihm jedoch wenig Hoffnung prognostiziert: 20 Jahre Arbeitslosigkeit schrecken jeden Chef ab!

Drei Monate später: Vjekoslav erhält von seiner Wohngemeinde die Möglichkeit, an einem Programm der Stiftung Wendepunkt teilzunehmen. Er müsse sich aber selber darum bemühen, heisst es. Gesagt, getan. So kommt es, dass Vjekoslav im Jahr 2014 zu 80% im Bereich Allround Service in Wettingen arbeitet. Seinen freien Tag nutzt er für die Stellensuche. Ohne Erfolg! Ob er wohl in der Stiftung Wendepunkt in Pension gehen wird? Doch dank des Einsatzes von Fachpersonen und Job Coaches der Stiftung Wendepunkt bewilligt ihm die Gemeinde ein Job Coaching. Hoffnung keimt auf, als der Job Coach der Stiftung Wendepunkt ihm im Juni 2019 einen dreimonatigen externen Einsatz bei der Steffen AG vermittelt.

«Vjekoslav ist ein angenehmer Typ, macht einen guten Job und hat trotz langer Arbeitslosigkeit seine Motivation nicht verloren.»

Marcel Gross, zuständig für die Gesamtlogistik der Steffen AG

v.l.n.r.: Ralf Römer, Job Coach Stiftung Wendepunkt, Vjekoslav und Jabbar Ullah, stellvertretender Abteilungsleiter Warenausgang Steffen AG

Auch in dieser unsicheren und herausfordernden Zeit seit März 2020 unterstützt Vjekoslav das Steffen-Team weiterhin tatkräftig und hat Freude bei der Arbeit. Rückblickend möchte er keinen seiner Lebensabschnitte missen. In jedem Einzelnen davon hat er gelernt. Bis zu seiner Pensionierung bleiben noch sieben Jahre. Hat er irgendwelche Ziele? Er denkt nach …

«Millionär möchte ich nicht mehr werden (lacht). Ich geniesse die Situation, wie sie jetzt ist: Auf eigenen Beinen zu stehen und eigenständig zu sein.»

Vjekoslav

Mehr zum Angebot
Job Coaching Kanton Aargau| Stiftung Wendepunkt

1 Externe Einsätze in Firmen – eine Win-win-Situation: Unternehmen können Arbeitnehmende auf ihre Eignung prüfen; im Einsatz stehende Personen können sich praktische Arbeitserfahrungen aneignen und ihre Chance auf eine Arbeitsstelle erhöhen.

2 Die Steffen AG in Spreitenbach, gegründet 1963, lagert heute auf 6’000 Palettenplätzen rund 12’000 verschiedene Elektroartikel, darunter viele Eigen- und Spezialprodukte. Der Familienbetrieb beschäftigt rund 75 Mitarbeitende. Viele soziale Institutionen, auch die Stiftung Wendepunkt, werden seit Jahren mit Arbeiten bedient. steffen.ch


Regine Frey-Eichenberger
Autorin