Die Webshop-Crew

Auf die Frage «Kennst du NYCHA Kombucha?», hätte ich bis vor wenigen Wochen geantwortet: «Nein, noch nie gehört – ein Ort in China, vielleicht?» – bald sollte ich aber eines Besseren belehrt werden.

An einem regnerischen Morgen parke ich mein Auto vor dem Standort Wettingen der Stiftung Wendepunkt. Daniel Fetzer, Bereichsleiter Montage Produktionslogistik, erwartet mich im Eingangsbereich. Er führt mich zwei Stockwerke höher in den sogenannten «Raum der Offenbarung». Hier steht das exotisch anmutende Gefäss vor mir: Gut 22 Zentimeter gross, von gläserner und eleganter Statur, gefüllt mit vanillefarbener Flüssigkeit, stylischer Etikette und Metalldeckelverschluss. Nichts Chinesisches. Im Gegenteil: Das fermentierte, vegane Teegetränk, basierend auf Darjeeling Grüntee und anderen hochwertigen Bio-Zutaten, wird in der Schweiz gebraut, verpackt und vertrieben.

Beginn einer Kooperation

Das Start-up Nycha ist seit vier Jahren im Nachbargebäude der Stiftung Wendepunkt in Wettingen beheimatet. Hier wird das Getränk in Tankgefässen produziert und vom benachbarten Bierhersteller Lägerebräu in Flaschen abgefüllt, welche in Gitterrahmen aufs Verpacktwerden warten. Mit der Zunahme des Getränkeabsatzes konnten die Jungunternehmer – meist ehrenamtlich im Einsatz – das Verpacken für acht Detailhändler und rund neunzig Verkaufsstellen in der Schweiz sowie für Online-Besteller nicht mehr selber bewältigen. Es lag auf der Hand, dass sich die Stiftung Wendepunkt für diesen Auftrag bewarb und prompt die Zusage bekam.

«Mit dem Wachstum unseres jungen Unternehmens sind wir begeistert und erleichtert, das tolle Team bei Wendepunkt als Partner zu haben. Es bedeutet uns sehr viel, mit einer Sozialunternehmung zusammenzuarbeiten. Der Zufall wollte es, dass wir im Nachbarsgebäude eingemietet sind.» – v.l.n.r. Michael Scheidiger, Patrick Switzer und Christoph Scheidiger, Gründer von Nycha

Tägliches Verpacken

Zurück im Raum der Offenbarung. In vier Gitterrahmen, sortiert nach Aromen, stehen je tausend abgefüllte Flaschen. Die Rechnung ist schnell gemacht: Rund viertausend Getränke werden in den folgenden Wochen für Online-Bestellungen verpackt. Das dazu benötigte Material liegt auf einem Tisch bereit: Klebeband, Dokumententaschen und stapelweise flache Kartons, welche später zu Schachteln aufgerichtet werden. Eine Palette inklusive Palettenrolli befindet sich für den Abtransport der fertigen Schachteln ebenfalls im Raum.

  1. Grosser Verpackungsauftrag im März: Gegen 52’000 Getränke wurden in Schachteln à 24 Flaschen verpackt, palettiert und für den Transport ins Aussenlager bereitgemacht. (Bildquelle: Nycha)
  2. Eine Online-Bestellung trifft ein. Folgende Arbeitsschritte werden gemacht: Bestellung inklusive Rechnung und Einzahlungsschein werden ausgedruckt …
  3. … und als Beleg für den Bereich kopiert.
  4. Schachtel aufrichten, mit Klebeband fixieren, sowie Innenkarton für 16 Flaschen auffalten und hineinstellen.
  5. Flaschen gemäss Bestellung rüsten und Füllstand …
  6. … wie auch die Sauberkeit des Deckels und der Etikette inklusive richtiges Aufkleben kontrollieren, bevor die Flasche in die Schachtel gestellt wird.
  7. Die Dokumententasche mit der eingelegten Rechnung auf die Schachtel kleben, verschliessen und den Postbarcode für den Versand draufkleben.
  8. Die fertigen Schachteln mit dem Palettenrolli in den Warenlift fahren und ins Erdgeschoss befördern.
  9. Die Schachteln ins Auto verladen und zur Post bringen.

Mit dem Verpacken hat der Bereich Montage Produktionslogistik im März begonnen, erklärt mir Daniel Fetzer. Zuerst nur für den Detailhandel. Während rund vier Wochen wurden von fünf bis sechs Klientinnen und Klienten unter Anleitung eines Gruppenleitenden gegen 52’000 Getränke in Schachteln à 24 Flaschen verpackt, palettiert und für den Transport ins Aussenlager bereitgemacht. Anfang Mai ist nun der Online-Handel dazu gekommen. Täglich werden die Bestellungen von zwei Klienten bearbeitet, verpackt und auf die Post gebracht.

Der Webshop-Crew über die Schulter geschaut

Da die Montage Produktionslogistik den Webshop noch nicht selber betreut, sendet die Firma Nycha Kombucha die eingetroffenen Online-Bestellungen jeweils inklusive Rechnung und Einzahlungsschein dem Bereich zu. Täglich, kurz nach 7.30 Uhr, wird die Mailbox gesichtet. Sind Bestellungen eingetroffen, werden diese vom Verpackungsteam akribisch bearbeitet. Details sind auf der Fotostrecke ersichtlich. 

Der Bestelleingang ist von Tag zu Tag verschieden. Zurzeit werden durchschnittlich rund 300 Flaschen pro Woche verpackt. Nachfrage steigend. «Eine interessante Arbeit», meint Bereichsleiter Daniel Fetzer und erläutert: «Klientinnen und Klienten an Angepassten Arbeitsplätzen1 und aus Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung2 lernen, den Ablauf einer Bestellung zu verstehen, den Bestellprozess abzuwickeln und dabei Verantwortung zu übernehmen. Auch werden ICT3– und administrative Fähigkeiten gefördert.» Alles Gründe, weshalb er sich für diesen Auftrag beworben hat.

«Ich mache diese Verpackungsarbeit gerne, weil ich alles von A bis Z erledigen kann. Sie ist abwechslungsreich, verlangt Genauigkeit und ein geschärftes Auge, damit alles stimmt und der Kunde mit der Lieferung zufrieden ist. Zudem schätze ich die Arbeit im Team.» – Mustafa, seit 5 Jahren in der Stiftung Wendepunkt tätig.

Ende gut, alles gut

Mit vielen Eindrücken und vier Flaschen NYCHA Kombucha in der Tasche fahre ich nach Hause. Dort angekommen – wie kann es anders sein – teste ich das Getränk. Ich bin positiv überrascht von Geschmack und prickelnder Frische. Mein schneller Entscheid: Für den nächsten Grillabend bestelle ich einige Flaschen online, im Wissen, dadurch ein Start-up und ein Sozialunternehmen zu unterstützen und laut Aussagen der Hersteller auch mein Immunsystem zu stärken.

Zu guter Letzt noch dies: Ganz daneben mit China lag ich übrigens nicht. NYCHA setzt sich nämlich aus den Silben NY (neu auf Dänisch) und CHA (Tee auf Chinesisch) zusammen. Damit ist mein etwas angekratztes Allgemeinwissen wieder rehabilitiert. Ein Prost auf NYCHA Kombucha und die Webshop-Crew!

1 Angepasste Arbeitsplätze für erwachsene Menschen, welche wegen psychischer Leistungseinschränkungen nicht im primären Arbeitsmarkt eingegliedert werden können und eine IV-Rente haben.

2 Programme zur vorübergehenden Beschäftigung, finanziert durch die Arbeitslosenversicherung.

3 ICT: Informations- und Kommunikationstechnologie


Regine Frey-Eichenberger
Autorin