Als Maler und Brüder im gleichen Betrieb

Urs und Roland Schärer, ihr kommt aus dem Feiern nicht mehr heraus: Letztes Jahr 25 Jahre Stiftung Wendepunkt und 20 Jahre Doppelpunkt AG. 2019 nun euer persönliches 25-Jahr-Jubiläum. Wann und wie feiert ihr? 

Urs: Was ich weiss, ist, dass ich meinen 50. Geburtstag feiern werde (lacht). Ob wir zusammen wegen unseres Jubiläums etwas Spezielles machen – darüber haben wir uns noch nicht unterhalten.

Ihr seid Brüder, beide Maler und beide 25 Jahre in der gleichen Firma tätig. Wie ist es dazu gekommen?

Roli: Mein damaliger Chef setzte mich Anfang 1994 in der Stiftung Wendepunkt als temporären Maler ein. Fortan war ich mit einem Auto, zwei Rollgerüsten und vielen sozial benachteiligten Menschen auf Baustellen im Einsatz. Im Oktober erfolgte dann meine Anstellung als Mitarbeiter der Stiftung Wendepunkt.

Urs: Ein Kollege meiner Schwester machte mich auf die Stelle als Maler in der Stiftung Wendepunkt aufmerksam. Kurz darauf erhielt ich prompt einen Telefonanruf des Gründers der Stiftung, Hans-Peter Lang. Ich sah aber keinen Grund für einen Stellenwechsel und hatte zudem gerade die Vorarbeiterschule begonnen. Ich schlug also das Angebot in den Wind. Doch irgendwie liess mich die Sache nicht mehr los. Während der Ferien machte ich mit mir und Gott quasi den Deal: Wiederholt sich die Anfrage, würde ich einwilligen. Und tatsächlich das Telefon klingelte: Hans-Peter war am Apparat … ich sagte zu und trat nach Beenden der Vorarbeiterschule am 1. April 1994 meine Stelle in der Stiftung Wendepunkt an.

Das war somit der Startschuss zum Aufbau der Malerei? 

Roli: Das wenige Material – ein paar Pinsel und Malerkessel – war in einer Garage des Architekturbüros Setz in Rupperswil untergebracht (erster Standort der Stiftung Wendepunkt). Ein Wandgestell in der damaligen Kuvertierung diente als erweiterter Lagerplatz.

Urs: Etwas später dislozierte unser Magazin für zirka zwei Jahre in die alte Schmitte in Rupperswil. Tagsüber arbeiteten wir in Gruppen mit bis zu fünfzehn ungelernten Personen auf verschiedenen Baustellen. Die ersten drei Wochen meiner Wendepunktzeit war ich sogar samstags voll im Einsatz, damit die Termine einigermassen eingehalten werden konnten.

Vier Jahre später – 1998 – werden die Arbeitsbereiche Zimmerei und Malerei aus der Stiftung Wendepunkt ausgegliedert und in die erste Tochterunternehmung, die Doppelpunkt AG, überführt. Welche Erinnerung habt ihr daran?

Urs: Ich erinnere mich vor allem an die Zeit davor, als uns vorgeworfen wurde, wir würden das Gewerbe konkurrenzieren. Das war hart. Auch Jahre nach der Doppelpunkt-Gründung flammte dieses Misstrauen immer wieder auf. Mittlerweile sind wir aber anerkannt und seit fünfzehn Jahren auch Mitglied des Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmer-Verbands.

Roli: Von der Arbeitsweise her gab es unter der neuen Flagge keine Veränderung. Räumlich hatten wir etwas mehr Platz. Die Infrastruktur war professioneller. Aber der finanzielle Kampf blieb.

Und die Struktur der Malerei? Urs, warst du immer der Leiter?

Urs: Ja. Das ist wohl typenabhängig. Ich war zum Beispiel bereits in der Jungschar der Hauptleiter und mein Bruder der Gruppenführer. Im Gegensatz zu früher arbeite ich heute vorwiegend im Büro, bin für Akquise, Planung und Personal zuständig. Das Durchführen der Aufträge ist auf die verschiedenen Facharbeitenden verteilt. Sie sind auf den Baustellen verantwortlich, dass es rund läuft. Ich bin nur noch in speziellen Situationen dort anwesend. Seit einem Jahr treffen wir uns als Verantwortliche regelmässig, um miteinander unsere Arbeiten zu analysieren, reflektieren und gegebenenfalls zu optimieren. Teamarbeit ist mir wichtig. Wir leben die Struktur eines Familienbetriebs.

Familienbetrieb – wie äussert sich das?

Urs: Im Arbeitsalltag wie soeben geschildert. Einmal pro Monat unternehmen wir etwas miteinander nach Arbeitsschluss. Ab und zu erweitern wir den Kreis und laden auch Partnerin oder Partner mit Kindern ein. 

Zurück zur Struktur. Wie ist es für dich, Roland, den Bruder als Abteilungsleiter zu haben?

Roli: Dass Urs der Leiter ist und Entscheidungen trifft, ist für mich kein Problem. Im Gegenteil, es ist für mich eine Entlastung. Ich bin gerne für einen Auftrag verantwortlich. Wenn zu viel parallel läuft, zerreisst es mich. Deshalb bin ich auch nicht mehr sein Stellvertreter. Ich bin der Handwerker. Punkt! Dabei bleibt’s und dies ist vielleicht auch unser Glück!

Zum 15-Jahr-Jubiläum der Doppelpunkt AG hat sich die Abteilung Malerei mit grösseren Räumlichkeiten an der oberen Bahnstrasse 3 in Kölliken und dem Farbverkaufsladen Colorama selbst ein Geschenk gemacht.

Urs: Ein solcher Schritt war für mich immer eine Vision, weil sich dadurch neue Möglichkeiten ergeben. Ich denke da an den entstandenen Spritzraum oder eben an den Wunsch eines eigenen Farbladens, welcher ganz natürlich aufgrund von Bedürfnissen und Anfragen seitens der Kundschaft gewachsen ist. Nach Eingang einer entsprechenden Anfrage durch die Farbfirma Knuchel AG, einen langjährigen Partner, war es für uns naheliegend, in unserer Region einen Colorama-Farbladen zu eröffnen. So haben wir am bestehenden Gebäude einen Anbau erstellt und darin den Laden mit eigener Mischanlage eingerichtet.

Roli.: Ich gehörte nicht zu den Befürwortern der räumlichen Trennung von der Zimmerei. Heute sehe ich aber die Vorteile, gerade auch durch den Laden. Die eigene Farbmischanlage zum Beispiel unterstützt uns in der täglichen Arbeit und hilft, dass wir vieles professioneller abwickeln können …

Urs: … oder Kunden kaufen im Laden Farbe ein und merken, dass ihnen die Zeit zum selber Streichen eigentlich fehlt. Auf diese Weise haben sich hie und da Aufträge ergeben.

Dann steht ihr ab und zu auch hinter der Ladentheke?

Roli: Nein, ich arbeite auf der Baustelle.

Urs: Mike Schärer, ein Neffe von uns, ist zuständig für den Laden. Ich vertrete ihn bei Abwesenheiten.

Auf der Website steht, dass die Doppelpunkt AG Arbeitsplätze für sozial benachteiligte Menschen und Ausbildungsplätze für Lernende bietet. Hat sich diesbezüglich im Laufe der Jahre etwas verändert?

Roli: Zu Beginn arbeiteten wir vorwiegend mit sozial benachteiligten Menschen. Ziel war, ihnen durch Arbeit eine Tagesstruktur zu geben. Es gab Tage, an denen fünfzehn Personen auf einer Baustelle tätig waren. Da war ich von morgens bis abends nur mit Anleiten und Kontrollieren beschäftigt. Heute arbeiten wir in kleinen überblickbaren Gruppen. Dadurch können Lernende und Personen in Trainings oder mit speziellen Bedürfnissen optimal gefördert werden.

Urs: Seit 23 Jahren bilden wir Lernende aus. Für unsere erste Lehrtochter brauchten wir noch eine Sonderbewilligung des Amtes für Berufsbildung. Aktuell haben wir drei Lernende und zwei Personen in einem Training mit dem Ziel einer beruflichen Grundbildung EBA. Dazu kommen zwei permanente Arbeitsplätze für Menschen mit einer IV-Rente.

Welches waren für euch die markantesten Entwicklungsschritte?

Urs: Der Wechsel von der Baustelle ins Büro, die Verantwortung für dreizehn bis fünfzehn Mitarbeitende, die kontinuierliche Entwicklung der Malerei und dass meine Vision sich mit der Raumerweiterung und dem Farbladen erfüllt hat.

Roli: Den Anfang der Stiftung Wendepunkt mit fünf bis zehn Mitarbeitenden bis zur heutigen Grösse inklusive Entwicklung der Doppelpunkt AG und Ausbau der Malerei mitzuerleben. Die Verbundenheit mit der Stiftung ist nach wie vor da. Jedes Mal, wenn ich an einem der Standorte Malerarbeiten ausführe, fühlt es sich an, als käme ich nach Hause. Tief im Herzen bin ich ein Wendepünktler geblieben.

Was stimmt euch nach 25 Jahren positiv?

Roli: Es ging immer weiter, wie die Auftragslage auch aussah.

Urs: Stimmt! Bei der Grösse unserer Mitarbeiterschaft braucht es jährlich doch ein recht grosses Auftragsvolumen. Aber nicht nur stimmige Zahlen, sondern auch die positiven Rückmeldungen von Kunden, die Fortschritte der Lernenden und damit verbunden die Dankbarkeit von Eltern, wenn ihr Sohn oder ihre Tochter die Lehre erfolgreich beendet hat, sind motivierend.

Roli: Und das Miteinander in der Malerei sowie der Zusammenhalt im Doppelpunkt. Das verbindet und stärkt.

Also noch bis zur Pensionierung dabei?

Urs: Vorläufig spricht nichts dagegen. Wenn sich aber nochmals eine Situation so klar wie damals beim Wechsel in die Stiftung Wendepunkt zeigen würde, dann gäbe es für mich nichts zu diskutieren. Ich würde nochmals aufbrechen

Roli: Den familiären Rahmen schätze ich sehr. Also kein Grund zur Veränderung. Anderseits: Gesundheitlich wird es mit jedem Jahr nicht einfacher. Die Winter auf den Baustellen hinterlassen Spuren. Wenn du gesund bist, hast du schon viel gewonnen. Dies gilt es bei einer solchen Entscheidung auch zu berücksichtigen.

Wo steht die Malerei in zehn Jahren? Fragen wir mal den Chef?

Roli (räuspert sich und lacht): Dann steht er kurz vor der Pensionierung …

Urs: Zurzeit befinden wir uns in einer Konsolidierungsphase. Meine Hoffnung ist, dass es punkto Wirtschaftlichkeit und Mitarbeiterstab so bleibt und wir nicht abbauen müssen. Ideen zur Weiterentwicklung der Malerei habe ich bereits im Kopf. 

Mit welcher Farbe malt ihr die Zukunft der Malerabteilung?

Roli: Wie auf dem aufgehängten Kalender dort (zeigt auf die Wand), mit Grün und Magenta (rot). Farbe tut immer gut und trägt zum Wohlbefinden der Leute bei, ob du nun weiss oder bunt malst. Ich bin eine auf Menschen bezogene Person. Wenn ich jeweils zu einem Neukunden gehe, überlege ich mir im Voraus, wie ich zu ihm einen guten Kontakt herstellen kann. Wenn dies gelingt, ist die Arbeit um einen Farbtupfer reicher geworden.

Urs: Das, was Roli gerade geschildert hat, gehört zu unserem Arbeitscredo: Mit Nähe, Freundlichkeit und kreativen Ideen dem Auftraggeber begegnen. Daran werden wir nichts ändern, weil es zum Erfolg beigetragen hat. In diesem Sinne würde ich, ähnlich wie mein Bruder, die Zukunft der Malerei in leuchtendem Rot und intensivem Lindengrün malen.

Mehr zum Angebot
Doppelpunkt AG Kölliken – Malerei – Dienstleistungen (doppelpunkt-ag.ch)


Regine Frey-Eichenberger
Autorin